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Ein Mensch des Musters SECHS

1987 habe ich erstmals an der Fortbildungsreihe des Deutschen Vereins "Fortbildung für Fortbildner" unter der Leitung von Wilfried Reifarth teilgenommen. Das Arbeiten in einer Großgruppe war für mich ungewohnt und bot ganz neue Lernerfahrungen, die ich bisher so noch nicht erlebt hatte.

Das Enneagramm war zu diesem Zeitpunkt noch kein Gegenstand der Lerninhalte. Schon damals hat mich aber der wahrhaftige Umgang erwachsener Menschen in einer Großgruppe so fasziniert, dass ich seitdem regelmäßig bis 2003 an dieser Fortbildungsreihe teilgenommen habe. Von Anfang an lautete mein Lebensthema Angst.

1994, als das Enneagramm erstmalig eingeführt wurde, war ich dann nicht mehr ganz so überrascht, dass ich ein Mensch des Musters SECHS bin. Seitdem habe ich begonnen, mich langsam mit meinen Lebensthemen Angst, Unsicherheit und Zweifel vertraut zu machen. Ich musste lernen, dass Angst die Grundenergie meines Verhaltens ist und mich in jeder Sekunde durchdringt, habe aber auch die positiven Energien Mut, Kraft und Treue als zu mir gehörend erkannt. Diese positiven Energien zu kennen und mit ihnen umgehen zu lernen, stellt meine zukünftige Lebensaufgabe dar.

Um diesen Weg zu gehen, muss ich lernen, authentisch zu werden, authentisch zu sein. Hierzu gehört aber, dass ich mich aus meinen Schutzräumen (derer bedürfen Menschen des Musters SECHS mehr als Menschen anderer Muster) herauswage. Gelingt mir dies, erhalte ich die nötige Kraft, mir selber zu trauen, mir und anderen zu vertrauen. Mit diesem Vertrauen ausgestattet kann ich die Schutzräume verlassen, wohl wissend, dass die mustertypischen Stolpersteine (Angst, Zweifel) die Weiterentwicklung immer wieder behindern werden. Aufgrund der Erfahrungen der letzten drei Jahre in der Weiterbildung zum Enneagrammlehrer weiß ich, dass ich die Kraft habe weiterzumachen, insbesondere dann, wenn ich mir meine Ängste, Zweifel und Unsicherheiten selber eingestehen und sie anderen mitteilen kann. Dann kann ich die Türen der Schutzräume weiter öffnen und, behutsam auf Stolpersteine achtend, den begonnenen Weg weitergehen.

Aus enneagrammatischer Sicht kann ich heute authentisches Handeln nur als einen lebenslangen und dauerhaften Prozess, der ein hohes Maß an Selbstreflexion voraussetzt, beschreiben und verstehen. Indem ich mich bemühe, mir meine musterspezifischen Eigenschaften immer und immer wieder bewusst zu machen und in der Begegnung mit anderen Menschen zu reflektieren, kann ich mich allmählich mit Hilfe meiner erworbenen Erfahrungen zu einer authentischen Person mit den Tugenden Mut, Kraft und Glauben entwickeln. Wenn mir dies als Mensch des Musters SECHS gelingt - ­und sei es auch nur für kurze Momente -, erhält der Begriff Authentizität seine eigentliche Bedeutung.

Im Sinne Martin Bubers kann ich mich als "personales Angebot" dann mit meinem ganzen Wesen dem anderen vorbehaltlos zur Verfügung stellen. Dies ist der einzige glaubhafte Weg, anderen Menschen wirklich zu begegnen. In diesem umfassenden Sinn verstanden, wird das personale Angebot neunfach verschieden ausfallen. In der echten Begegnung mit dem DU wird dieser Unterschied aufgehoben sein.

Moritz

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