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Das Lebensgefühl eines Menschen des Musters NEUN

Mit dem folgenden Text möchte ich einen Beitrag dazu leisten, das Lebensgefühl eines Menschen des Musters NEUN zu beschreiben und verdeutlichen, wie sich ein Mensch dieses Musters fühlt, was er denkt und wie er handelt.

Zu Beginn meiner Beschäftigung mit dem Enneagramm habe ich mich dem Muster ZWEI zugeordnet. Ich konnte Übereinstimmungen – zumindest auf der Verhaltensebene – finden: die eigenen Bedürfnisse nicht erkennen, eher für andere da sein, hilfsbereit, nicht Nein-Sagen können. Je mehr ich mich dann damit beschäftigte, desto deutlicher wurde, dass das Muster ZWEI nicht meins ist, da ich auch mit der Vorherrschenden Leidenschaft, Stolz/Hochmut, nichts anfangen konnte. Ich beschäftigte mich dann in der Weiterbildung beim DEZ intensiv mit dem Muster NEUN. Dieses Muster hatte ich anfangs strikt ausgeschlossen und wollte so nicht sein, da ich mich nicht für träge gehalten habe. Im Laufe der Zeit wurde mir jedoch deutlicher, was genau mit der vorherrschenden Leidenschaft der Acedia gemeint ist. Es ist nicht (nur) die Trägheit gemeint, faul auf dem Sofa zu sitzen (was ich natürlich auch schon mal mache) – mit der Acedia ist die Weigerung gemeint, mich mit mir und der Welt auseinanderzusetzen, mich genau wahrzunehmen. Es ist der Verlust an Innerlichkeit. Sie ist die Abneigung, mich tiefer zu ergründen, und sie ist mein Widerstand gegen Veränderung im Allgemeinen.

Meine Vorherrschende Leidenschaft, die Acedia

Bei der Beschreibung der Acedia benutzt Wilfried Reifarth in seinem Buch den Begriff der spirituellen Vergröberung und meint damit "eine Abstumpfung gegen den Geist und ein Verlust des Gefühls für das eigene Sein" (Reifarth, Wie anders ist der Andere, S. 81).

Wenn ich mir mein bisheriges Leben ansehe, zeigt sich die Acedia schon in der Art und Weise, wie ich mein Leben bisher gelebt habe. Solange ich zurückdenken kann, ist in meinem Leben nichts Großartiges und nichts Weltbewegendes passiert – ich habe das Leben so dahinplätschern lassen. Nicht, dass ich keine tollen Erlebnisse und Erfahrungen gemacht habe, ganz im Gegenteil. Ich möchte auch ganz viele schöne Kindheitserlebnisse nicht missen, die mir auch noch sehr präsent sind. Mit einer Rückschau darauf habe ich aber das Gefühl, dass das Leben „mich gelebt“ hat, dass ich quasi eine Marionette in einem Puppentheater war. Alles passierte, kam zur richtigen Zeit und geschah einfach, ohne, dass ich was dazu beigetragen habe. Das Leben „passierte mich“, es lief an mir vorbei. So hatte ich z. B. nie einen richtigen Berufswunsch: Ich machte dort ein Praktikum, wo eine Freundin eins machte. Ich studierte das, was Freunde machten. Ich hatte auch nie den Wunsch oder das Bedürfnis, nach dem Sinn des Lebens zu suchen, herauszufinden wie etwas funktioniert oder mich mit komplexen Themen auseinanderzusetzen. Habe ich jemals eine Frage gehabt? Wenn ich das jetzt so schreibe, kommt in mir ein schmerzliches Gefühl der Erschütterung hoch, wie ich mich bloß dem Leben und den Menschen so unterordnen konnte. Das Grundgefühl in mir war aber zu jeder Zeit eine völlige Zufriedenheit mit meinem Leben.

So ganz allgemein kann ich sagen, dass ich meine Vorherrschende Leidenschaft vor allem dann spüre, wenn es für mich in irgendeiner Form anstrengend oder lästig wird, wenn etwas umständlich oder unbequem wird. Anfangs kann mir eine Sache sehr viel Spaß machen und ich gehe mit viel Elan und Willenskraft an die Sache heran. Sobald es jedoch umständlich wird und sich Hindernisse auftun, würde ich die Brocken am liebsten hinschmeißen. Dann spüre ich einen inneren Widerstand dagegen dranzubleiben. Dann ist es furchtbar anstrengend, eine Sache zu beginnen und/oder zu Ende zu bringen.

Man kann das Gefühl so beschreiben, als ob jemand von hinten an mir zieht oder ich in einen großen Klumpen Kaugummi getreten bin und nicht von der Stelle komme. Es ist z. B. schon anstrengend, Info-Post von der Bank zu lesen. Sich darauf einzulassen, was in dem Brief steht, fällt mir ungemein schwer. Mich darauf zu konzentrieren und das zu verstehen, ist manchmal unmöglich. Das hat zur Folge, dass Aufgaben oberflächlich erledigt werden, ich abgelenkt werde durch andere Aufgaben, die auch noch erledigt werden müssen und Sachen auch schon mal 'liegen bleiben'. Hilfreich ist es für mich hierbei, dass ich mir Listen mache, auf denen ich alles notiere, was zu erledigen ist. Sehr detailliert und auch die "kleinen" Sachen, um auch Erfolgserlebnisse zu haben, wenn ich es wegstreichen kann. Wenn ich mir keine Prioritäten setze und nicht die wichtigsten Punkte markiere, kann es vorkommen, dass – trotz Liste – doch die wesentlichsten Sachen nicht gemacht werden und wieder liegen bleiben.    

Das Wesentliche zu sehen fällt mir ungemein schwer. Mir fällt es grundsätzlich schwer, mich zu konzentrieren und mich zu fokussieren. Wenn ich ein Fachbuch lesen muss, ist es mir kaum möglich, die wesentlichen Dinge herauszulesen. Ich könnte dann alles oder gar nichts anstreichen, da mir alles irgendwie wichtig erscheint. Wenn im Auto ein Redebeitrag läuft, fällt es mir ungemein schwer, dem Inhalt zu folgen. „Es wirkt so als würde ihr Bewusstsein vom Zentrum ihrer Erfahrung rasch in die Peripherie abdriften“ (Reifarth 2009, S. 83).

Ebenso spüre ich die Acedia sehr stark, wenn es Streit oder Konflikte gibt. Das löst bei mir einen Mechanismus aus, alles dafür zu tun, dass wieder Harmonie herrscht und sich alle vertragen. Das führt dazu, dass ich sehr ungern Konflikte eingehe, ihnen sogar aus dem Weg gehe und sie herunterspiele. Ich möchte es immer allen recht machen, verliere dabei jedoch den Kontakt zu mir und verbiege mich.

Ich habe dann so sehr den Drang, ein Ergebnis herbeizuführen, mit dem alle einverstanden sind und die Harmonie wieder hergestellt ist, dass ich fast verrückt werden könnte, wenn das nicht sofort oder gar nicht funktioniert. Es zerreißt mich innerlich, wenn ich auch noch für mehrere Gruppen Partei ergreifen muss, während möglicherweise die Anderen sehr relaxt mit ihren Meinungsverschiedenheiten umgehen können.

Wenn mich ein Sachverhalt richtig nervt, kann ich mich fürchterlich darüber aufregen, und es kommt der Wunsch in mir auf, das anzusprechen und demjenigen mal so richtig meine Meinung zu sagen. Dieser Sachverhalt wird jedoch immer kleiner, je näher die Konfrontation naht, sogar soweit, dass ich der Sache am Ende noch was Gutes abgewinnen kann und es gar nicht so schlimm war. Es wird natürlich nicht angesprochen. Das hört sich nicht nur nicht sehr stark an – es fühlt sich auch nicht so an.

Ich definiere mich nicht über mich selbst, sondern sehr stark über Andere. Da ich mich nicht so wichtig nehme und mich für wenig liebenswert halte, konstruiere ich mir mein Selbst, so wie ich denke, sein zu müssen. Das hat zur Folge, dass ich mich anpasse, ich mich selbst vernachlässige und nicht achtsam mit mir selbst umgehe. Ein positiver Aspekt der Angepasstheit der NEUNer-Menschen ist, dass sie dadurch sehr verlässlich sind, was jedoch schnell dazu führen kann, dass sie auch leicht ausgenutzt werden, da sie sich nicht wehren. So wie Wilfried Reifarth in seinem Buch schreibt, sind sie am Ende die, die den Eimer tragen (vgl. Reifarth 2009, S. 82).

Ich spüre meine Vorherrschende Leidenschaft auch sehr intensiv, wenn meine Grundlinie gestört ist. Am liebsten ist mir, wenn ich meine Ruhe habe, wenn alles so läuft, wie ich es erwartet habe, wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, wenn ich genügend Zeit (für mich) habe. Dann bin ich zufrieden.

Ich werde unzufrieden, wenn jemand meinen Zeitplan und/oder meine Ordnung stört, wenn jemand meine Ruhe stört, wenn ich keine Zeit für mich allein habe, wenn zuviel auf mich einströmt, wenn ich mich nicht verstanden fühle, wenn ich mich ungerecht behandelt oder wenn ich mich nicht ernstgenommen fühle. Dann kann es vorkommen, dass das Fass überläuft oder – wenn es noch nicht so weit ist – mein Muster „einen anderen Joker zieht“. Und zwar kommt dann meine Sturheit zu Tage. Das sieht dann so aus, dass ich mich beleidigt oder Türen-knallend zurückziehe und zu keinem Gespräch bereit bin.

Wenn meine Grundlinie gestört ist, bin ich sehr gefährdet, dass zwei Mechanismen in mir ausgelöst werden. Zum einen ist der Selbstentwertungsmechanismus zu nennen. Das passiert ganz schnell, z. B. wenn ich mich nicht ernst genommen fühle, wenn ich vor einer Aufgabe stehe und nicht weiß wo ich anfangen soll, oder ganz banal, wenn mir ein Spiegelei anbrennt oder mir eine Tasse runterfällt ... Eigentlich immer dann, wenn mich meine Acedia „von hinten überholt“ und ich sie vor Augen geführt bekomme. Dann geht bei mir die Post ab: Ich bin eh zu blöd für die Welt, nichts kann ich, ich kann noch nicht mal... und dann zieht es mich wie an einer Spirale runter.

Diesem Mechanismus folgt dann der zweite, der Vergeblichkeitsmechanismus: Wenn ich eh zu blöd bin, brauche ich auch nicht anfangen und stecke den Kopf in den Sand.

Wenn meine Grundlinie gestört ist und ich mich belastet fühle, reicht oft schon eine Kleinigkeit, um mich aus der Fassung zu bringen. Ich beziehe alles auf mich und nehme dann alles noch persönlicher als ich es eh schon tue, und Äußerungen kommen als Vorwurf bei mir an. Ich bin dann sehr dünnhäutig und eine Kleinigkeit reicht, und es kann zu einem mittleren Zusammenbruch kommen. Das sieht dann so aus, dass ich nur noch heulen könnte (und dies auch tue), und ich fühle mich total klein und doof. Aus diesen negativen Emotionen von alleine wieder rauszukommen und es als mein Ding anzusehen, fällt mir noch sehr schwer. Auch da suche ich die Schuld für meine negativen Gefühle quasi noch bei dem Anderen. Das Wissen darüber macht es leichter, aber es fällt mir insbesondere dann schwer, wenn ich nicht gut drauf bin.

Kurzum: ich kann meine Vorherrschende Leidenschaft als einen Wunsch nach Harmonie beschreiben, der mich dazu veranlasst, mich und meine Bedürfnisse die der Anderen unterzuordnen, quasi mit den der Anderen zu verschmelzen. Eine Auseinandersetzung oder ein Durchsetzen der eigenen Interessen kostet viel zu viel Kraft und Energie. Es ist also leichter, das Leben automatisch zu leben, sich für nichts entscheiden zu müssen. Das führt natürlich dazu, dass ich als Mensch des Musters NEUN auch gar nicht weiß, was genau meine Bedürfnisse sind. Da genauer hinzuschauen ist schon viel zu anstrengend (und ich bin es ja auch gar nicht wert).

Früher habe ich nie verstanden was damit gemeint war, wenn man von Menschen des Musters NEUN als „tote Fliege, die im Muster der Tapete verschwindet“, gesprochen hat. Mittlerweile kann ich das selbst mit vielen Beispielen aus meinem Leben verdeutlichen, dass es ein Phänomen ist, was mich durch mein Leben begleitet. Es ist ein Grundgefühl, dass man nicht wahrgenommen wird. Mittlerweile weiß ich, dass es auch was mit mir zu tun hat. Ja, dass ich alles dafür tue, um nicht wahrgenommen zu werden. Wenn ich aber z. B. in der Schlange beim Bäcker übergangen werde – und das immer wieder –, bestärkt es das Gefühl der Unwichtigkeit und der Unbedeutsamkeit meiner Person. Ich fühle mich dann in meinem Grundgefühl der Nichtswürdigkeit bestätigt. Und diesem Gefühl dann keinen Raum zu geben, ist eine meiner Entwicklungsaufgaben, also mich in so einer nahenden Situation bewusst anders zu verhalten.

Tief in meinem Inneren gehe ich davon aus, dass ich nichts wert bin, dass das, was ich mache, nicht genügt und dass ich es nicht schaffe. Dieses Gefühl kann zu einer völligen Lähmung führen. Das erlebe ich häufig in Situationen, die mir Angst machen und denen ich mich nicht gewachsen fühle. Das sind Situationen, in denen ich mich oder etwas präsentieren muss. Ich fühle mich dann wie gelähmt. Ich gehe dann durch die Welt mit dem Gefühl, keinen Kontakt zur Außenwelt zu haben und keinen Kontakt aufnehmen zu können. Ich agiere dann wie ein Roboter, der nicht sprechen kann und einfach „seinen Streifen“ durchzieht. Ich fühle mich dann wie unter einer Käseglocke gefangen. Wenn die Situation vorbei ist, in der ich mich in irgendeiner Weise präsentieren musste, bin ich wieder kontaktfähig, kommunikationsbereit und ausgelassen.

Mein Abwehrmechanismus - die Ablenkung

Mir als NEUN fällt es – wie gesagt – nicht leicht, ins Handeln zu kommen, mich mit Dingen auseinanderzusetzen, dranzubleiben und mich zu positionieren. Ein Positionieren würde mich angreifbar und damit verletzbar machen. Es gibt immer Ausreden und Ablenkungen, irgendwas nicht zu tun, oder besser, etwas anderes zu tun, nämlich mich mit unwesentlichen Dingen zu beschäftigen und mich abzulenken.

Möglichkeiten der Ablenkung und der Betäubung gibt es sehr viele und es fällt mir sehr schwer, ihnen nicht nachzugeben. Ich fühle mich sehr schnell abgelenkt und kann mich nicht gut fokussieren und konzentrieren. Das erlebe ich im Alltag so, dass ich Tagträumen hinterher hänge und das gesprochene Wort im Radio oder in der Tagesschau gar nicht höre. Es fällt mir schwer, einem Vortrag zu zuhören, die Tageszeitung zu lesen, in irgendeiner Weise bei der Sache zu bleiben. Ich ertappe mich dann oft dabei, dass meine Gedanken abschweifen, ich mich mit Daddeleien ablenke und abtauche.

Das Maß der Ablenkung lässt Rückschlüsse auf meinen Zufriedenheitsgrad zu. Wenn es mir gut geht und ich zufrieden bin, brauche ich wenig Ablenkung. Wenn jedoch viel auf mich einströmt oder ich mich psychisch ausgelaugt fühle, gibt mir Ablenkung auch Energie wieder und hilft mir, meine Gedanken zu sortieren und wieder zur Ruhe zu kommen, um dann fokussierter in Aktion zu gehen.

Mein Seelenkind - das „Angeberlein“

Mir als NEUN ist es zuwider, zu aufdringlich zu erscheinen, im Mittelpunkt zu stehen und mir viel Raum zu nehmen. Das steht mir von meinem Grundgefühl her irgendwie nicht zu. Mit der Zeit komme ich immer mal wieder mit meinem Seelenkind, dem 'Angeberlein', in Kontakt und ich spüre dann einen Sog, gesehen zu werden und Applaus für Sachen zu bekommen, die ich gut gemacht habe. Wenn ich meine Interessen vertreten möchte, verspüre ich manchmal eine Art von Egoismus, für den ich mich eigentlich schämen müsste. Ich kenne das von mir, dass ich mich im Hintergrund für viele Sachen einsetze, die mir wichtig sind. Ich versuche dann aber, auf eine indirekte Art in den Mittelpunkt zu rücken, so dass Andere die Sachen doch irgendwie mit mir in Verbindung bringen müssen.

Was mir das Enneagramm bedeutet

Durch die Arbeit mit dem Enneagramm fühle ich, dass ich eine eigenständige Persönlichkeit bin, die etwas wert ist, die ihre eigenen Bedürfnisse hat und diese auch zeigen darf. Ich fühle mich viel selbstbewusster und kann auch mal einen eigenen Standpunkt vertreten. Dabei ist es jedoch sehr wichtig, in welchem Rahmen ich mich zeige. Ich muss mich aufgehoben, wertgeschätzt und gemocht fühlen. Sicherheit und Rückhalt sind hier ganz wichtig für mich. Früher habe ich mich z. B. bei Anforderungen, die an mich gestellt wurden, wenn ich mich zeigen musste, sehr unwohl gefühlt, und ich habe den Kontakt zu mir und der Umwelt verloren – wie unter der besagten Käseglocke. So kann ich mich heute in einer vergleichbaren Situation viel selbstbewusster geben und auch fühlen. Hier komme ich gelegentlich mit meinem Seelenkind in Kontakt. Ich kann es dann genießen, gesehen zu werden und Anerkennung für etwas zu bekommen.

Die Erfahrung zeigt aber, dass sich meine Vorherrschende Leidenschaft immer irgendwie einen Weg sucht, um sich bemerkbar zu machen. Selbst in einer Situation, in der ich mich zeigen muss und mich dabei gut und durch Andere gehalten fühle, schafft es die Acedia, sich einen Weg zu bahnen und meine Selbstzweifel und meine Unsicherheit an die Oberfläche zu bringen – und sei es durch körperliche Reaktionen wie Kopfschmerzen oder Übelkeit. Oder in Situationen, in denen ich Anderen 'gefühlt' meine Meinung sage (was für Außenstehende aber völlig harmlos klingt), fühle ich mich zunächst gut, dass ich es geschafft habe, aber dann kommt ganz schnell das Gefühl dazu, dass ich eine Grenze überschritten habe, den Anderen verletzt habe, der Andere mich nun nicht mehr mag und die Sorge: 'Was denken denn jetzt die Anderen von mir?'.

Zusammengefasst kann ich sagen, dass die Grundenergie der Acedia bei mir dazu führt, dass ich kein großes Selbstwertgefühl habe, immer wieder Selbstzweifel aufkommen, ob das, was ich tue, gut ist. Dass ich durch Ausreden und Schuldzuweisungen keine Verantwortung für mein Tun übernehme, dass ich keine Konflikte eingehe, dass ich mein Umfeld „harmonisiere“, dass ich mich durch Anpassung und Selbstdefinition durch Andere deformiere und meine eigenen Bedürfnisse immer hintanstelle, dass ich mich zurückziehe, ablenke und „betäube“. Wenn Angst und Befürchtungen aufkommen, fehlt mir der Antrieb und ich möchte mich am liebsten verstecken. Durch das Wissen darüber, und das Wahrnehmen dieser Mechanismen gelingt es mir jedoch immer häufiger, diesen Gefühlen keinen Raum zu geben und es 'mal' anders zu machen. Das ist dann eine willentliche Entscheidung. Und die Erfahrung zeigt mir, dass ich dann ein genauso liebenswerter Mensch bin, als wenn ich es allen Recht machen würde – vielleicht sogar ein noch viel liebenswerterer – auf jeden Fall mag ich mich so lieber.

Die Acedia wird mich auf meinem Entwicklungsweg immer begleiten, sie gehört zu mir und ich zu ihr, und wenn wir uns liebevoll begegnen, können wir es miteinander aushalten. Die schmerzliche Erkenntnis darüber, wie ich mein Leben aus der Hand gegeben habe, hilft mir, mich auf mich zu besinnen. Ich habe mich dazu entschieden, dass ich entscheide, wohin der Hase läuft.

Ich fühle mich derzeit in meinem Leben sehr aufmerksam und bei mir, sehr präsent, aktiv, frei, glücklich und unendlich dankbar, das so für mich wahrnehmen zu können. Das ist ein wunderbares Gefühl.

Ich spüre eine große Liebe der Enneagramm-Idee gegenüber und bin voller Dankbarkeit, dieser Idee zu dienen und freue mich auf die Zukunft und auf das, was noch vor mir liegt. 

In Liebe

Anna-Lisa

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